Frankfurter Allgemeine Zeitung

Still und leise

Mette Henriette bei Familie Montez

Frankfurt es ist voll im kunstver- ein familie montez. Das publikum sitzt dicht beieinander, bis zur Rückwand des Raumes und neben der ebenerdigen bühne. Den Gang zur bar würde die enge während des konzerts erheblich erschweren, doch die hat ohnehin den betrieb eingestellt, um nicht mit klirren und klappern zu stören. Mit ihrer fokussierten Andacht erinnert die Atmosphäre eher an einen konzertsaal als an einen Club, ganz anders, als man es von „Jazz montez“ gewohnt ist.

Aufmerksamkeit ist bei Mette Henriette und ihren mitspielerinnen allerdings tatsächlich noch angebrachter als bei Auftritten anderer bands. Die musik der saxophonistin und komponistin basiert vor allem auf Reduktion und Ruhe. Zu beginn spielt Mette Henriette mit klarem ton und warmem timbre kleine melodische motive, zart umgarnt von Ayumi tanakas klaviertupfern und Cello-miniaturen Tanja Ornings. Den kontemplativen Charakter schwebender, teil fast verwehender Wohlklänge unterwandert die bandleaderin dann für einige takte, indem sie von langen zu leicht flatternden tönen wechselt, vorsichtig heisere und raue färbungen jenseits des pas- tells auslotet. Doch schnell kehrt sie wieder zurück zu samtig schimmernden linien, deren relativ hohe tonlage über weite strecken für ein tenorsaxophon eher ungewohnt wirkt.

Es ist eine poesie der Nuancen, die Mette Henriette im weiteren Verlauf des gut einstündigen konzerts eben- so zu entwickeln versteht wie auf ihren studioproduktionen. Einige unvermittelte nebelhornähnliche tiefe Huper des saxophons, zwei oder drei Aufschwünge durch Oktaven, eine Handvoll dynamische steigerungen und angedeutetes Vogelgezwitscher bringen sanfte kontraste. einmal erzeugen vergleichsweise kraftvolle klavier-Arpeggien in tiefen lagen eine Art erdung inmitten der sonst eher luftigen, nicht selten zeitlupenhaften Ästhetik. Dem gegenüber stehen geflüsterte lautmalerische einlagen, etwa tonloses Rauschen von luft durch das saxophon, das streichen von klaviersaiten mit der Hand oder ein kratzen des bogens über das Holz des Cellos. Währenddessen ist im kunstverein kein mucks aus dem publikum zu hören, allenfalls ein leises stuhlknarzen oder das klappernde Halsband des sich schüttelnden Haushunds.

Vor 32 Jahren im mittelnorwegischen trondheim geboren, ist Mette Henriette Martedatter Rølvag auch in der kultur der samen verwurzelt. Nach ihrem vielgestaltigen, 2015 veröffentlichten Doppelalbum erhielt sie hochkarätige kompositionsaufträge und entwickelte bühnenstücke für internationale festivals. Dieser tage erscheint ihr neues Werk „Drifting“, abermals bei ECM. ihre bühnenbegleiterinnen waren nicht mit im studio, haben sich aber gut in die manchmal traumverloren wirkenden kompositionen der bandleaderin eingearbeitet. Orning zupft bisweilen ihre Cellosaiten, streicht ansonsten elegant bis absichtsvoll rau sowie flirrende flageoletts. tanaka weiß mit fein dosiertem Anschlag immer wieder energetische Akzente zu setzen.

Mette Henriettes klangwelten lassen sich als klares statement gegen das rasante Getöse des Zeitgeschehens lesen, sie funktionieren zweifellos auch als Antidot gegen stress. Sparsamkeit und gebremste tempi sind als künstlerische Ausdrucksmittel sicher nicht neu, zumal in der norwegischen Heimat der musikerin. Eine Verbindung zu traditionen der sami offenbart sich nicht direkt, gleichwohl gelingt es Mette Henriette, das mit typischer „fjord-Romantik“ häufig einhergehende pathos zu vermeiden. Damit trifft sie offenbar ganz den Geschmack des begeisterten publikums.