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Bereits der Auftritt setzt klare Zeichen: ECM, Traumlabel unzähliger Musiker, bzw. Produzent Manfred Eicher widmet einer bis dato weithin unbekannten jungen Saxofonistin, die schlicht unter ihren beiden Vornamen auftritt, gleich ein Doppelalbum, das zudem ohne Titel bleibt und —äußerst seltene Ehre bei ECM— ein Porträt der Norwegerin auf dem Cover zeigt. Wie auch die übrigen Porträts im ansonsten auf Nötigste beschränkten Beiheft stammt dieses obendrein von Starfotograf Anton Corbijn, der —angefangen bei Joy Division vor 35 Jahren— bekanntlich nicht wenigen Musikern zu ikonografischen Porträts verholfen hat.
Es scheint augenfällig, dass hier ein großes Talent entdeckt wurde, dem eine vielversprechende Zukunft bevorsteht. Ungeachtet persönlicher Vorlieben muss man dies Manfred Eicher hoch anzurechnen: dass er sich nach wie vor nicht auf seinen Meriten ausruht und lediglich die etablierten Stars produziert und vermarktet, sondern weiterhin junge Talente fördert.
Nun darf man unumwunden eingestehen: Mette Henriette ist eine überaus eigene Persönlichkeit, der eine große Aufmerksamkeit ebenso zu wünschen ist wie eine langjährige Zusammenarbeit mit Manfred Eicher. Es wird überaus spannend sein, ihren weiteren künstlerischen Weg zu verfolgen, und bekämen wir nun jedes Jahr eine Doppel-CD ihres Werks, so würden wir wohl bessere Menschen; mindestens aber glücklichere Musikfreunde. Gleichwohl: Man braucht etwas Zeit, um sich auf diese besondere Welt zwischen zeitgenössischer Komposition und »Free Jazz« einzulassen. Die zwei sich langsam entwickelnden und entfaltenden Suiten verlangen bewusstes Hören. Als Coffee-Table- oder Dinner-Jazz lässt sich das Album sicher nicht genießen. Doch wer zuhört, bekommt allerhand geboten. Selten ist Musik derart frei und innovativ, dabei emotional eindringlich in vornehmlicher Unaufdringlichkeit.
Letzteres betrifft vor allem die CD mit Pianist Johan Lindvall und Cellistin Katrine Schiøtt. Eine kluge Dramaturgie: Hat man sich auf diese intim-nachdenkliche Stimmung eingelassen, erlebt man fasziniert, wie das Trio auf der zweiten CD zur 13-köpfigen »Sinfonietta« ausgeweitet wird, mit weiteren Blechbläsern, Cikada-Quartett-Streichern, Bandoneon, Bass und Schlagzeug. Dieser längere zweite Teil setzt mehr auf eine expressive Spannweite, entwickelt größere Dynamik und Kontraste, betont durch den Wechsel aus sehr kurzen und teils länger auserzählten Stücken zugleich eine sperrige Fragmenthaftigkeit. Aufregend erfindungsreiche Kammermusik.
— Ingo J. Biermann